Weihnachten?
ausgefallen!
Ich bin ein absoluter Weihnachtsmuffel. Tannenbaum, Glitzerkram, Weihnachtslieder,
Jahres-End-Stimmung sind nichts für mich. Und ich mag weder Winterkälte noch Dunkelheit. Darum verbringe ich
seit vielen Jahren Weihnachten nicht in Deutschland. Normalerweise bin ich dann auf einem Segelboot, aber es gab keine Mitsegler, und
darum musste ich mir kurzfristig etwas anderes überlegen.
Da kam mir Günthers Idee gerade recht, auf Gran Canaria Motorrad zu fahren. Allerdings sollte das im Februar stattfinden und
nun war Dezember. Und es waren noch 2 Wochen bis zu meinem Urlaub. Na gut, nicht lange fackeln und das Internet anwerfen. Ein günstiger
Flug ist schnell gefunden, bleibt noch die Frage der Übernachtung.
Ich bin auch kein Typ für Pauschalreisen und Hotels mit vorgeschriebenen Frühstücks- und Abendessenzeiten. Ich habe aber das Glück, dass ein
Freund von mir, Fritz, eine Wohnung auf Gran Canaria hat.
Ich sollte Fritz an dieser Stelle kurz vorstellen:
Ich habe Fritz während meines Studiums in Berlin kennen gelernt. Wir haben 1991 sein 25.Fachsemester im Bereich Elektrotechnik gefeiert.
Wir konnten uns damals schon nicht vorstellen, wie er das legal geschafft hatte, aber es war so. Mittlerweile studiert er in München, immer
noch legal Elektrotechnik, und ich habe aufgehört, die Semester zu zählen. Fritz ist in der glücklichen Lage nicht arbeiten zu müssen, lebt dafür
aber sehr einfach. Auf Gran Canaria macht er geführte Wanderungen für Einheimische. Und ich kann euch aus eigener Erfahrung sagen:
Mit Fritz zu wandern ist kein Zuckerschlecken (aber das ist eine andere Geschichte). Die Spanier scheinen’s zu mögen.
Wie dem auch sei, es gibt da diese Wohnung. Ich rufe Fritz an. Er ist leider (wegen seiner unglaublichen Ortskenntnis) und Gott sei Dank (wegen der wirklich
langen Wanderungen) zu der Zeit in Deutschland und nicht auf Gran Canaria. Er schickt mir aber die Schlüssel, ein paar Anweisungen
für den Wohnungsgebrauch und eine genaue Wegbeschreibung. Super! Fehlt nur noch das Moped. Der Anbieter, den
Günther ausfindig gemacht hat, erweist sich als äußerst kommunikativ. Nach seinem Anruf habe ich ein heißes Ohr (Anrufen
kommt von Rufen und Spanien ist weit weg) Er versichert mir, ich könne einfach vorbei kommen und mir eine Maschine aussuchen.
Das finde ich sehr seltsam, aber ich glaube ihm erstmal (habe auch keine andere Chance).
Ich packe meine Reisetasche. Ist gar nicht so einfach, denn ich werde in 1000 m Höhe wohnen, war noch nie auf Gran Canaria, muss meine Mopedklamotten
verstaut bekommen, meine Öljacke (die Seglerin schlägt durch, man weiß ja nie) und auch noch 2 Dosen Grünkohl (Bestellung von Fritz). Ich komme
auf 20 und ein bisschen Kilo. Wird schon klappen, 20 sind erlaubt.
Ich fliege von Hannover, also fahre ich morgens um 6 mit der Bahn dorthin. Ich stehe in Bremen am Bahnsteig mit meinem riesigen
Gepäck, den Helm unterm Arm (sieht zu der Jahreszeit
etwas befremdlich aus) und warte auf den Zug, da höre ich ein fröhliches „Hallo“.
Fährt doch tatsächlich ein Freund von mir im gleichen Zug. Die Reise fängt ja nett an. Und es geht nett weiter. In meinem Ticket steht „Tramperflug,
ohne Verpflegung“. Trotzdem gibt es eine warme Mahlzeit (Flugzeugqualität, aber immerhin ).
Ausnahmsweise sitze ich auf der „richtigen“ Seite, nicht über dem Flügel und das Wetter ist super. Ich habe einen fantastischen Blick auf die Straße
von Gibralta und die afrikanische Küste. Natürlich auch auf Gran Canaria. Die hohen Berge liegen in den Wolken, und bei
näherem Hinsehen eigentlich auch die mittelhohen.
Nachdem ich mein Gepäck eingefangen habe, muss ich erstmal aus der Mopedjacke und dem Pullover. Im T-Shirt (wir haben
den 15. Dezember!) warte ich auf den Bus Nr. 60 nach Las Palmas. Der Automat für das Inselticket will passendes Geld. Das
sagt er mir wohl auch, aber ich kann leider kein Spanisch. Nachdem er mir meinen 20ger in hohem Bogen entgegenspuckt (ich kann ihn gerade
noch erwischen), weiß ich dann bescheid. Ich brauche kleineres Geld. Allerdings bin ich etwas hilflos – großes Gepäck, dicker Rucksack, Mopedjacke nicht in den Dreck
werfen und bloß den Helm nicht fallen lassen!!
Kurz, ich bin gerade nicht sehr mobil. Zum Glück bemerkt das ein deutscher Tourist, der jede Menge Kleingeld hat. Ich
bekomme mein Ticket und fahre nach Anweisung von Fritz nach San Mateo. Das liegt 20 km südlich von Las Palmas (Straße,
nicht Luftlinie). Ziemlich schnell wird mir klar, San Mateo liegt in den Wolken (mittelhoch gelegen). Aha, na gut. Schauen wir mal.
Der Bus nach Las Palmas fährt über die Autobahn, der anschließende nach San Mateo eine rote Straße.
Das sind die Hauptstrassen, danach kommen grüne, gelbe und weiße Straßen. Der Busfahrer kurbelt sich einen
Wolf. Für Leute, denen im Bus schlecht wird ist das die Chance, sich das Essen noch mal durch den Kopf gehen zu lassen.
Ich gehöre zum Glück nicht dazu und komme unbeschadet in San Mateo an. Die Beschreibung von Fritz ist so gut, dass ich die Wohnung auf Anhieb finde. Sie
liegt im 2. Stock und, welch Luxus, es gibt einen Aufzug. Nachdem ich im halbdunklen Hausflur zuerst versehentlich den Nachbarn
herausgeklingelt habe (was heißt eigentlich „Entschuldigung“ auf Spanisch?), finde ich die Wohnungstür. Gespannt schließe ich auf. Mich erwartet eine 1,5
Zimmerwohnung. Es gibt ein Schlafzimmer, ein Wohn-, Eß und Gästezimmer mit integrierter Küche und ein Bad mit Bidet und Wanne. Außerdem gibt es einen
240 V- Stromkreis und einen 12 V- Stromkreis (Solaranlage auf dem Dach), also auch verschiedene Lichtschalter und Steckdosen. Ich
öffne erstmal die Fensterläden und sehe mich um. Im Wohnraum gibt es auch einen Ofen. Das beruhigt, denn die
Berge hinter dem Haus sind vor lauter Wolken nicht zu sehen. Es gibt 2 Schlafmöglichkeiten. Ich entscheide mich wie eine
Katze für die am Ofen. Die Wahl sollte sich als schlau herausstellen. Ich richte mich provisorisch ein und suche erstmal
nach dem nächsten Supermarkt. Bis zur Wursttheke geht auch alles ganz gut. Dann fallen meine fehlenden Sprachkenntnisse
auf. Ich weiß zwar, dass ich die selbe Wurst will wie mein Vorgänger, aber die liegt nicht in der Theke, und
jetzt erklär das mal mit Händen und Füßen dem Verkäufer, wenn der Vorgänger weg ist!
Es klappt irgendwie und der Verkäufer und ich sind stolz auf uns. Noch eine Flasche Wein eingepackt (gibt es einen
Korkenzieher in der Wohnung?) und die Grundversorgung ist gesichert.
Nachdem ich endlich den Kühlschrank in Gang gebracht habe (verschiedene Stromkreisläufe machen das nicht
einfacher) und die Einkäufe verstaut habe, klingelt das Telefon. Was sag ich denn wenn ich rangehe??? Egal, ich versuche es
mit „;Hallo“;. Es ist Fritz, der mir erklärt, dass ausgerechnet heute ein Ringkampf in San Mateo stattfindet. Ich soll unbedingt hingehen. Na
gut, ich habe ja sonst nichts zu tun. Da es mittlerweile dunkel geworden ist und die Wolken näher gekommen sind, ist es
kalt und feucht. Ich ziehe meine Öljacke an (Mopedjacke sähe jetzt wirklich blöd aus)
und gehe in die beschriebene Sporthalle. Dort sind schon ein paar Zuschauer, und es ist ein großer „Schaumgummiring“
(vielleicht 8 m Durchmesser) ausgelegt, mit Sand gefüllt und mit weißen Kreidekreisen bemalt. Dann marschieren
2 Mannschaften in die Arena ein, stellen sich um den Rand herum auf, der Schiedsrichter stellt sich in die Mitte. Es gibt
Begrüßungsrituale. Die Mannschaftenbestehen aus jeweils 12 Junge n/Männern, alle in T-Shirts und seltsam aufgekrempelten Shorts. Dann beginnt der Kampf.
Zuerst sind es rechte Hänflinge, die 90 Sekunden lang versuchen, sich, an ihren Hosenkrempeln zerrend, in den Sand zu
werfen. Im Laufe des Abends werden die Gegner größer (nach vorne, zu den Seiten und in der Länge). Da treffen
so was ähnliches wie Sumoringer aufeinander. Der Anblick ist beeindruckend, genauso wie die Kommentare der Zuschauer.
Es herrscht mittlerweile ein unglaubliches Geschrei in der Halle. Auch die örtliche Polizei ist da und fiebert mit. Kann ja auch im
Moment nichts passieren, ganz San Mateo ist ja hier. Leider ist es mittlerweile sehr kalt geworden, und so warte ich das
Ende des Kampfes nicht mehr ab und gehe nach Hause. Das ganze hat sich noch lange hingezogen, die Kommentare zu den
Schiedsrichterentscheidungen waren im ganzen Ort zu hören. Ich weiß aber leider nicht, wer gewonnen hat. Dafür
setze ich den Ofen in Gang. Die Welt ist in Ordnung. Ich habe es warm und trocken und ein gutes Buch dabei. Das Bett besteht aus alten
Palette und einer Matratze, ich habe Wolldecken gefunden und, wie auch zum Segeln, meine eigene Bettwäsche dabei. Ich
schlafe wie ein Stein.
Der Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen sagt mir, dass die oberen 1000 m von Gran Canaria in den Wolken liegen. Und ich dachte, hier scheint immer
die Sonne!!
OK, ein Blick nach Norden zeigt, in Las Palmas ist die Welt in Ordnung. Also geht es nach einem ausgiebigen Frühstück mit spanischem
Schinken per Bus zur Stadterkundung nach Las Palmas. Hier ist es sonnig und warm, und weil ich so neugierig bin und immer noch eine
Ecke weiter gucken will, laufe ich fast durch die ganze Stadt, vom Busbahnhof bis zum Strand (ca. 10 km). Ich sehe die Altstadt, die
Kathedrale, Las Palmas von oben, die Häfen (da ist wieder die Seglerin), das Viertel Santa Catalina und die Copa Cabana
von Las Palmas, den Strand Caranteras. Super schön, pikobello sauber, lang, und mit phantastischer Brandung. Als ich nach
einem guten Essen einen Polizisten nach dem Weg zum Busbahnhof frage (der „;Freund und Helfer“; kann etwas Englisch),
sieht der mich seltsam an und meint, das wäre aber sehr weit zu Fuß. Ich steige daraufhin in den nächsten Bus, sage
dem Busfahrer „;San Telmo“; und halte ihm meine Fahrkarte vom Flughafen unter die Nase. Na prima, das klappt (solange ich weiß,
wohin ich will). Er nickt und ich stecke meine Karte in den Automaten.
In San Mateo angekommen, muss ich mich erstmal um den Ofen kümmern. Es ist wieder
ziemlich kalt. Da macht sich doch meine langjährige Ofenheizungserfahrung aus Berlin bezahlt.
Am nächsten Morgen ist der Ausblick aus dem Bett nicht viel unbewölkter geworden. Ich will unbedingt nach Playas del Ingles
fahren und mir den Mopedverleiher ansehen. Es gibt die Möglichkeit, mit dem Bus außen herum zu fahren (schnell, aber
langweilig) oder eine „Inselbesichtigung“ zu machen. Ich entscheide mich für die zweite Variante.
Der Bus quält sich Serpentinen hinauf, durch verschlafene Dörfer und beeindruckende Felslandschaften.
Hinter jeder Kurve (und davon gibt es viele) wartet ein neuer atemberaubender Ausblick. Nach 2 Stunden erklärt mir der
Busfahrer mit Händen und Füßen (er kann kein Englisch), dass er jetzt 1 Stunde Pause macht. Das kann
ich gut verstehen. Er hat wirklich heftig gearbeitet, um nach San Bartholomä zu kommen. Der Ort ist wunderschön,
kaum Tourismus und ein nettes Plätzchen für einen kleinen Spaziergang und einen Imbiss. Nach einer Stunde geht es
weiter. Nun geht es ein langes Tal hinab bis nach Playa del Ingles.
Und tatsächlich finde ich auch ziemlich schnell den Mopedverleiher (wer mich kennt, der weiß, dass das nicht immer so ist ).
Pedro erinnert sich sofort an unser Telefonat und begrüßt mich herzlich (viele Küsschen). Ich begutachte seinen
Fuhrpark. Der ist nicht so sonderlich groß. Die Yamaha, die ich mir im Internet ausgeguckt hatte, steht auch dort.
Leider komme ich mit den Füßen nicht komplett auf den Boden, und nach der Busfahrt weiß ich
jetzt in etwa, was da an Straßen auf mich zukommt. Darum kommt das auf keinen Fall in Frage. Ich sitze alle möglichen
Maschinen Probe und entscheide mich dann für eine Beta 4.0, 33 PS, 350 ccm, eine Geländemaschine. Eigentlich
wollte ich mir 7 Tage gönnen, aber Pedro gibt sie mir 10 Tage für den Wochenpreis. Da sage ich doch nicht Nein!
Und das ist sie, meine!
Maschine für die nächsten Tage:
Sieht doch gar nicht so schlecht aus. Ist halt etwas klein, 1 Zylinder, aber leicht, hat gute
Reifen, die Kette sieht prima aus, das ganze Teil macht einen guten Eindruck, und „; ich komme mit den Füßen
auf den Boden .
Ich mache noch eine kurze Probefahrt und wir machen den Leihvertrag. Morgen komme ich wieder und nehme sie mit.
Dann sehe ich mich noch ein wenig in Playas del Ingles um. Das ist ja alles ziemlich schaurig hier. Es gibt entweder Hochhaus-Hotels oder kilometerweit
Bungalow-Ghettos. Wer macht denn hier Urlaub? Ich suche den Strand. Der ist sauber und groß, und der Blick aufs Meer ich
wunderschön. Ich darf mich nur nicht umdrehen, denn da stehen diese Hotelburgen. Schnell weg hier! Ich nehme die kurze
Busfahrt-Variante, über die Autobahn, immer am Wasser entlang.
Die Westküste ist nicht sonderlich erwähnenswert. Es gibt kaum Steigungen, alles ist etws karg. Erst die Fahrt von Las Palmas nach San Mateo
macht wieder Spaß. Zu Hause angekommen, kehre ich in der Kneipe unten im Haus ein. Alle sehen mich an wie einen bunten
Hund. Irgendwie traut sich der Wirt dann doch, mich anzusprechen. Für ihn eine Katastrophe: ich kann immer noch kein und
er nur Spanisch. Wir bekommen das mit der Bestellung trotzdem hin. Ich bekomme eine Riesenportion Steak mit Kartoffeln und Paprika. Das
schmeckt wirklich super. Und der Wirt ist sehr aufmerksam was den Pegel in meinem Weinglas angeht. Mein Heimweg ist ja nicht lang, und
es gibt besagten Aufzug .
Noch schnell den Ofen angeschmissen und ab ins Bett. Ich bin schon ganz nervös und will unbedingt Moped fahren.
Trotzdem frühstücke ich dann erstmal ausgiebig (der spanische Schinken ist saulecker) Ich
ziehe meine Mopedklamotten an (das dicke Futter in der Hose lasse ich mal vorsichtshalber drin) und sehe mit Helm und Tankrucksack im Bus
etwas albern aus. Beim Verleiher angekommen, bekomme ich noch eine kurze Einweisung. Dann geht’s endlich los! Ich habe eine Karte
der Insel. Die gibt es überall für die Touris, sehen aber immer etwas anders aus, was die Qualität der Straßen betrifft (und die Realität
ist dann noch mal ganz anders ).
Endlich bin ich frei! Ich versuche erstmal, eine Tankstelle zu finden. Gar nicht so einfach.
Hier gibt es jede Menge Kreisverkehre, keine Ampeln, jede Straße sieht gleich aus, aber irgendwie finde ich dann wenigstens eine
Tanke. Hier gibt es noch Tankwarte! Und der Sprit kostet 62 Cent!!!
Sensationell! Ich tanke voll für 4 Euro!!! Aber wo ist denn nun der Weg nach Hause? Ich lande ungewollt auf der Autobahn
Richtung Westen. Das will ich nun gar nicht, darum fahre ich die nächste Abfahrt wieder ab. Pech gehabt, diese Abfahrt
gehört zu einem Golfplatz (mit eigener Abfahrt!). Also zurück auf die Autobahn. Ich drehe noch ein paar
Kreise, dann finde ich die Stichstrasse in die Berge. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie lange man hier für ein paar
Kilometer braucht, also fahre ich den direkten Weg nach San Mateo.
Die Insel hat zwar einen Durchmesser von nur 40 km, der Rückweg ist aber ca. 60 km weit. Und immer wieder muss ich Landschaft
ansehen. Nach jeder Kurve sehen die Felsen anders aus und mit der langsam untergehenden Sonne wird das Licht wunderschön.
Mein Heimweg führt mich über den Punto Nubolo. Von dort hat man normalerweise einen gigantischen Blick in
die Berge. Nur ist der Punto Nubolo gerade ein „Punto Nebolo“, nämlich in den Wolken. In
Playa del Ingles waren es eben noch deutlich über 20 Grad, jetzt ist es hier oben bitterkalt. Und ich muss noch weiter
hinauf, bis über den höchsten Punkt. Alles liegt in den Wolken und sieht etwas gespenstisch aus. Ich bin froh,
als ich irgendwann wieder etwas sehen kann und komme ziemlich durchgefroren zu Hause an. Jetzt brauche ich einen heißen
Kaffee und einen Schnaps. Der Kneipenwirt guckt mich verdutzt an, wie ich da mit Helm und in Mopedklamotten vor ihm stehe. Sofort muss er
das Gefährt begutachten. Er findet es wohl akzeptabel und bringt mir einen „Rumero“.
Das ist ein spezieller Rum, der auf Gran Canaria hergestellt wird (lecker).
Endlich geht’s los. Meine erste Tour ist schnell geplant. Ab in den Süden! Ich will nach Porto Mogan. Dort liegt ein Schiff, auf dem ich
alternativ hätte mitsegeln können. Da es sich aber um eine Bavaria handelt, kam das nicht in Frage (und wenn
Bavarias die letzten Segelboote der Erde sind, suche ich mir ein anderes Hobbie!). Die Crew will ich aber trotzdem begrüßen.
Nachdem ich mich durch die dicken Wolken am Punto Nubolo gequält habe ist die Fahrt traumhaft schön. In Porto Mogan
angekommen, trifft mich fast der Schlag.
Es ist Markttag, und zwar Touristenmarkt. Die Stadt platzt aus allen Nähten. Ich glaube ganz Playa del Ingles ist hier versammelt. Es
gibt Stände mit Schlappen, Klamöttchen, Schmuck, dann wieder Schlappen, Klamöttchen!!
Irgendwie kämpfe ich mich durch die Menge bis zum Leuchtfeuer am Ende der Pier. Dort gibt es eine Aussichtsterrasse mit
Kneipe. Ein ruhiges, beschauliches Plätzchen, an dem ich noch öfter sitzen werde. Ich habe einen prima ßberblick
und bekomme einen Kaffee serviert. Irgendwie ist es ziemlich warm, vor allem, weil ich meine dicken Klamotten anhabe, die in den Bergen
auch dringend erforderlich sind.
Ich bleibe nicht lange, denn die Menschenmassen sind mir einfach zu viel. Ich schaue noch schnell
im Hafen vorbei, sage der Crew Hallo und verschwinde dann wieder Richtung Berge. Das Fahren ist wunderbar. Die Straßen
sind in (meistens) gutem Zustand und es gibt so gut wie keinen Verkehr. Und so sieht es da aus:
Und das tolle ist, ich weiß genau, dass ich jede dieser Kurven fahren werde, weil alle zu dieser
einen Straße gehören. Die restlichen Straßen im Süden sehen ähnlich aus.
Der Norden ist ganz anders. Hier sind die Straßenführungen zwar ähnlich, aber die Landschaft ist komplett anders.
Alles ist grün, große Pinien säumen die Straßen. Die Ortschaften sind gewachsen und nicht für Touristen
gebaut. Die Häuser sind bunt angemalt. Überall blüht es. Dafür gibt es hier mehr Autoverkehr als im Süden,
und bei den vielen Kurven gibt es nur selten Gelegenheit zum Überholen. Manchmal gerate ich in Gegenden mit hiesigen „Gewächshäusern“.
Die erinnern an Christo, denn hier wurden einfach ganze Bananenfelder „eingepackt“. Das sieht seltsam aus, denn man fährt durch diese eingepackten
Felder und sieht vor lauter Verpackung nichts mehr von der Landschaft.
Jetzt könnte ich hier jeden einzelnen Tag aufzählen, aber das wird auf Dauer langweilig. Darum hier die wichtigsten Dinge:
Es gibt nicht sonderlich viele Sehenswürdigkeiten, aber die Finka Osorio sollte man sich unbedingt ansehen.
Ich habe nicht gewusst, dass es so große Bullen gibt.
Die Guayadeque-Schlucht ist beeindruckend und wunderschön. Ausnahmsweise fährt man mal nicht oben in den Bergen herum sondern ein Tal entlang. Hier
gibt es ein Informationszentrum am Anfang der Schlucht (viel Spaß beim Finden des Eingangs ),
weiter oben gibt es ein Höhlendorf und am Ende befinden sich 2 Restaurants in den Bergen (im wahrsten Sinne). Und dann gibt
es da noch einen Weg weiter den Berg hoch, den ich mich aber alleine nicht getraut habe zu fahren (würde da aber sehr gerne
mal hinauffahren ).
Ich habe einen Schnitt von 40 km/h hinbekommen, und ich glaube nicht, dass es viel schneller geht
(jedenfalls nicht, wenn man ab und zu auch mal die Landschaft bewundert). Insgesamt bin ich 1500 km gefahren, dass bedeutet, ich
kenne so ziemlich alle Straßen auf Gran Canaria.
Allerdings bin ich immer erst gegen 11 Uhr losgefahren und war gegen 18 Uhr zurück.
Ich habe die Motorradfahrertreffpunkte gefunden, habe gelernt, dass es besser ist von Süd nach Nord nach Hause zu fahren, weil man sonst
wegen des Sonnenstandes nichts sieht und das es nach Sonnenuntergang saukalt wird und man besser vorher ankommt.
Die wohl schönste Straße führt an der Westküste entlang von Puerto de las Nieves nach Punto da la Aldea. Wenn man
schwindelfrei ist, kann man sie von Nord nach Süd fahren, ansonsten sollte man es lieber andersherum tun. Diese Straße
ist in die Steilküste gebaut und führt 25 km in ca. 400 Meter Höhe immer an der Felskante entlang.
Die Aussicht ist grandios, und wer sie einfach nur entlang rast, ist selber Schuld.Die besten kleinen Fische habe
ich in Sardina gegessen. Das ist der nordwestlichste Zipfel der Insel.
Ich habe mittags Glatteis in den Bergen erlebt und bin abends barfuss am Meer spazieren gegangen.
Ich habe sehr gut Spanisch gegessen und bin auf Touristen-Nepp-Restaurants reingefallen. Ich habe wunderschöne
Bergdörfer gesehen und die schlimmsten Bausünden. Ich habe gelernt, lieber zwei Paar dicke Socken mitzunehmen, denn
trotz Zwischenwäsche mussten meine nach den 10 Tagen in Quarantäne.
Ich habe viele neidische Blicke von Familienvätern geerntet, die wissen wollten wo man so was leiht und was das kostet. Sie konnten leider nicht in die
Berge fahren, weil sonst Reinigungskosten für das Leihauto angefallen wären, und zwar von innen.
Fazit:
Die Straßen auf Gran Canaria sind von einem Motorradfahrer gebaut worden! Sie bestehen ausschließlich aus Kurven, und die meisten
Straßen sind in gutem Zustand.
Der Norden gefällt mir viel besser als der Süden. Es ist dort grüner und ursprünglicher. Die Südküste
ist leider komplett auf Massentourismus ausgelegt. Es gibt keine „Flugobjekte“ auf der Insel. Ich habe mein Visier ein einziges Mal (und das aus
schlechtem Gewissen) gereinigt.
Ich war froh, dass ich das Winterfutter in meinen Klamotten gelassen habe, denn in 2000 m Höhe ist es immer kalt
und da ich im Norden gewohnt habe, musste ich jeden Tag über den höchsten Punkt der Insel.Ich hatte wunderbare Tage mit
dem Moped.Das Fahren hat riesigen Spaß gemacht. Leider habe ich mich nicht getraut, die ganz kleinen Straßen
zu fahren. Dazu brauche ich mindestens einen Mitfahrer, der mich notfalls aus dem Dreck ziehen kann. Ohne Motorrad wäre
mir die Insel allerdings schnell zu klein geworden, und ein Inselhopping ist auf den Canarischen Inseln nicht so recht
vorgesehen. Ein Freund von mir war zeitgleich auf Teneriffa. Wir haben beide versucht, uns zu besuchen, aber diese Inseln lassen einen
nicht so recht weg.
Ich denke, für Wanderer ist Gran Canaria ein Paradies, für Strandlieger vielleicht auch, für Mopedfahrer ganz
sicher, für Segler nicht so sehr. Ich würde liebendgerne die „weißen“ Straßen der Insel ausprobieren und fahre sicher noch
einmal dorthin.